Langzeitüberlebende nach Krebs (Cancer Survivors)

Für Patienten von Krebserkrankungen schwindet nach erfolgter Therapie mit der Zeit das Risiko eines Rückfalls. Jedoch können Krebstherapien auch unerwünschte Langzeitfolgen verursachen, die sich auf die Lebensqualität auswirken.

Zurzeit leben in Deutschland circa 1,56 Millionen Menschen, deren Krebsdiagnose vor 5 Jahren und 2,61 Millionen, deren Diagnose vor 10 Jahre gestellt wurde. Die Gruppe der Krebslangzeitüberlebenden nimmt stetig zu. Dies zeigen auch Daten aus den USA, die im Jahr 2020 mit 20 Millionen sogenannter Cancer Survivors rechnen, oder aus Dänemark, wo sich die Zahl der Überlebenden – mehr als 10 Jahre nach der Erstdiagnose – in der Zeit von 1973 bis 2013 in etwa vervierfacht hat. Dieses längere Überleben mit der Krankheit im Sinne einer eher chronischen als einer schnell tödlich verlaufenden Erkrankung (respektive den heute deutlich höheren Heilungsraten) sind modernen multimodalen Therapien, zielgerichteten Medikamenten und der interdisziplinären medizinischen Zusammenarbeit geschuldet.

Doch dieser Erfolg hat auch seinen Preis. Viele der ehemaligen Patienten gelten als geheilt, sind aber alles andere als gesund. Eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg mit Darmkrebspatienten konnte zeigen, dass alle Befragten auch 10 Jahre nach der Erstdiagnose unter mindestens einem tumor- oder therapieassoziierten Symptom litten.

Eine große Untersuchung der Lance Armstrong Foundation kam 2005 zu einem ähnlichen Ergebnis: 91 % der hier befragten Langzeitüberlebenden gaben medizinische Beschwerden an. Knapp 80 % der „Cancer Survivors“ berichten über gesundheitliche Probleme im Laufe eines Jahres; auch nach einem krankheitsfreien Überleben von mehr als 10 Jahren sind es immer noch 71 %.

In einem Zeitraum von 12 Monaten waren 90 % der Langzeitüberlebenden bei einem Allgemein-mediziner, 45 % konsultierten einen Onkologen. Zum Vergleich: Einen Allgemeinmediziner suchen circa 68 % der Normalbevölkerung innerhalb der gleichen Zeitspanne auf, 15 % gehen zu einem Facharzt. Die Spanne an körperlichen Symptomen nach Abschluss einer Tumorerkrankung ist breit und vielfältig: jedes Organsystem kann betroffen sein.

Langzeiteffekte treten bereits während der Behandlung auf und können über Jahre anhalten – wie:

  • Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie,
  • kognitive Einschränkungen,
  • chronische Fatigue,
  • sexuelle Fehlfunktion oder Zeugungsunfähigkeit,
  • Psychische Erkrankungen.

Manchmal erst Jahrzehnte nach der eigentlichen Behandlung kommen zum Tragen:

  • kardiovaskuläre Ereignisse,
  • Zweitmalignome,
  • Spätfolgen nach einer Radiotherapie.

Das Risiko für manche dieser Spätkomplikationen erreicht kein Plateau, es kumuliert über die Jahre. Neben den „rein medizinischen“ Belangen existiert eine Reihe von sekundären gesundheitsassoziierten psychosozialen (Folge-)Problemen:

  • Angst vor einem Rezidiv der Erkrankung,
  • emotionale Sorgen,
  • Beziehungsschwierigkeiten,
  • finanzielle und existenzielle Aspekte,
  • Probleme bei der Rückkehr ins Berufsleben und mit der Wiedereingliederung sowie
  • spirituelle Bedarfe.

Bei knapp der Hälfte der Langzeitüberlebenden werden diese Belange nicht thematisiert.

Eine kürzlich publizierte Studie aus Norwegen zeigte ein doppelt so hohes Suizidrisiko für Krebslangzeitüberlebende, die vor ihrem 25. Lebensjahr an einer malignen Erkrankung litten, auch noch viele Jahre nach ihrer Therapie gesundheitlichen Problemen geschuldet, die eine Reintegration in den Alltag erschwerten oder unmöglich machten.

Verändert nach: PD Dr. med. Georgia Schilling, Asklepios-Klinik Altona. Hamburg
Literaturbelege siehe Originalarbeit: Dtsch Arztebl 2017; 114(24): [4]; DOI: 10.3238/PersOnko/2017.06.16.01