Welche Rolle haben die Hausärzte in der Versorgung von Langzeitüberlebenden?


Ein multidisziplinarisches Anliegen

Angesichts der rasch zunehmenden Zahl an Langzeitüberlebenden von Krebserkrankungen erscheint es unmöglich, dass die Patientenversorgung, die über die häufig vorgeschlagene Zeit der Nachsorge von 5 Jahren hinausgehen sollte, allein von den verschiedenen onkologischen Disziplinen getragen werden kann. Hausärzte müssen dringend in die Langzeitversorgung dieser Patienten mit einbezogen werden. Dafür sprechen, neben der wachsenden Zahl ehemaliger Krebspatienten, weitere Gründe:
Mehr als 50 % der Krebslangzeitüberlebenden sind 70 Jahre und älter. Sie leiden über die Tumorerkrankung hinaus häufig an weiteren Komorbiditäten, die es im Kontext zu behandeln gilt. Daneben spielt eine Vielzahl von Faktoren wie demenzielle Syndrome, Altersarmut, Polypharmazie und soziale Isolation und Immobilität in dieser Altersgruppe eine zunehmende Rolle.


Die Beziehung zum Hausarzt ist oft seit Jahrzehnten etabliert, häufig besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis. Weitere Vorteile sind der wohnortnahe Sitz des Hausarztes und das oftmals existierende Angebot von Hausbesuchen. Dies ermöglicht einen niederschwelligen Zugang und eine nachhaltige Betreuung.
Häufig treten Rezidive (Ausnahme: Mammakarzinom) in den ersten 2–3 Jahren nach der Ersttherapie auf. In der Zeit danach geht es zunehmend um das Erkennen und Behandeln von Folgeerkrankungen und um die Motivation zu (tertiär)präventiven Maßnahmen. Keimzelltumorpatienten beispielsweise haben nach 3–4 Zyklen platinhaltiger Chemotherapie ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms, das wesentlich früher auftritt als in der Allgemeinbevölkerung.


Die Rate an akuten Myokardinfarkten bei den unter 55-jährigen ehemals Behandelten ist doppelt so hoch wie bei nichtkrebserkrankten Altersgenossen. Nach der Rezidiv-Therapie eines Hodenkarzinoms, die ebenfalls (erneut) in kurativer Intention durchgeführt wird, besteht ein bis zu 6-fach erhöhtes Risiko für eine koronare Herzerkrankung und ein 3-fach erhöhtes Risiko für akute Myokardinfarkte bis etwa 20 Jahre nach Abschluss der Therapie. Die Prävention kardialer Ereignisse durch frühe Therapie und nachhaltiges Anhalten zu Lebensstilveränderungen ist sicher in den Händen von Allgemeinmedizinern sehr gut aufgehoben.

 

Survivorship-Care-Pläne decken Wissenslücken – für Patienten und Ärzte 

Die Standesvertreter der Hausärzte beklagen eine Reihe von Informationsdefiziten:

  • zu geringe Information über Komplikationen von Therapieverfahren wie Chemotherapie oder Bestrahlung,
  • das Fehlen von Gründen im Falle eines vorzeitigen Therapieabbruchs einerseits, aber auch über „positiv begleitende“ Therapien psychosozialer Art, Ernährung oder geeignete Supportiv-Therapien,
  • ein geringes Wissen über die Risiken für das Auftreten von Sekundärmalignomen oder Zweittumoren, über Langzeiteffekte und Spätkomplikationen von Chemo- und Radiotherapien sowie zur genetischen Beratung.
  • Nicht zuletzt fehlen Hausärzten ausreichende und klare Empfehlungen für eine strukturierte Nachsorge und dafür, wer in der Nachsorge für welche Aspekte verantwortlich ist.


Es gilt also, diese Schnittstelle in den Fokus zu stellen, um in der Zukunft eine abgestimmte, allumfassende Versorgung der Krebslangzeitüberlebenden zu gewährleisten.


In den USA werden zunehmend sogenannte Survivorship-Care-Pläne für Ärzte und Patienten entwickelt, um dieser Problematik gerecht zu werden. Diese beinhalten zum einen eine detaillierte Zusammenfassung von Therapieverlauf, Untersuchungsergebnissen, akut aufgetretenen Komplikationen und Nebenwirkungen.
Zum anderen geben sie auf den individuellen Patienten sowie dessen Erkrankung und Therapie zugeschnittene Informationen über Langzeiteffekte, gegebenenfalls zu erwartende Spätkomplikationen sowie zu beachtende Symptome, die auf ein Rezidiv der Erkrankung oder ein Sekundärmalignom hinweisen können, und nicht zuletzt einen Überblick über psychosoziale Unterstützungsmöglichkeiten und sinnvolle Tertiärpräventionsmaßnahmen.
Nach einer Reihe kritischer und negativer Studien zur Effektivität von Survivorship-Care-Plänen konnte eine kürzlich veröffentlichte Arbeit einen deutlichen Nutzen für die psychische Lebensqualität von Krebslangzeitüberlebenden zeigen.


Neben diesen individualisierten Empfehlungen werden auch Fortbildungsveranstaltungen für Hausärzte zum Management von physischen und psychischen Folgeerscheinungen von antitumoralen Therapien angeboten, die eine hervorragende Möglichkeit sind, Spezialwissen zu vermitteln. Eine Reihe von Präsentationen auf den beiden Survivorship-Konferenzen der Amerikanischen Krebsgesellschaft 2016 und 2017 belegt den Erfolg dieses Prinzips.
 


Ist immer mehr Nachsorge immer besser?

Ständige Kontrolluntersuchungen beim Arzt tragen nicht nur zur Sicherheit der ehemaligen Patienten bei, sondern rufen auch immer wieder Erinnerungen an die Krankheit und an das dadurch erlittene Leid und Trauma hervor. Gemeinsam sollten. Arzt und Patient eine sinnvolle Mischung zwischen medizinischen Interventionen und dem Gewährenlassen zum Wohle des Patienten finden, um eine Rückkehr in die Normalität des Alltags zu ermöglichen.


Verändert nach: PD Dr. med. Georgia Schilling, Asklepios-Klinik Altona. Hamburg
Literaturbelege siehe Originalarbeit: Dtsch Arztebl 2017; 114(24): [4]; DOI: 10.3238/PersOnko/2017.06.16.01
 

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